Das Mondkind

Vor vielen vielen Jahren lebte in Afrika ein mächtiger Häuptling, der hieß Bulane. Er unterschied sich von allen anderen Männern dadurch, dass er einen Vollmond auf der Brust hatte. Sein Vater und alle seine Vorfahren hatten dasselbe Zeichen auf der Brust. In jeder Generation wurde ein Prinz mit diesem Zeichen geboren, an dem man erkennen konnte wer der nächste König sein sollte.

In Bulane’s Reich war es üblich, dass der Häuptling mehrere Ehefrauen hatte. Bulane hatte zwei Frauen, eine ältere und eine jüngere. Die ältere Königin hatte viele Kinder. Manche hatten einen Stern oder eine Sichel auf der Brust, doch keines hatte einen Vollmond. Die jüngere Königin hatte keine Kinder, und was sie auch tat, sie bekam auch keine. Jedes Jahr wurde die ältere Königin unfreundlicher zu der jüngeren, und hänselte sie dafür dass sie keine Kinder bekam.

Eines Tages jedoch wurde die jüngere Königin schwanger, und sie bekam einen kleinen Sohn. Auf seiner Brust war ein Vollmond, und sie freute sich sehr, denn der Vollmond bedeutete, daß er der Erbe seines Vaters war und König werden sollte wenn er erwachsen wurde.

Die ältere Königin aber freute sich nicht, denn sie war gemein und eifersüchtig. In der Nacht schlich sie sich in die Hütte der jungen Königin, nahm das Mondkind aus der Wiege und legte es in eine Ecke. Dann stiess sie einen Haufen schwerer Töpfe um, damit sie den kleinen Prinzen erschlugen. In die Wiege legte sie einen hässlichen alten Hund.

Am nächsten Morgen lief die ältere Königin zu Bulane und rief:

“Das Kind ist ein Kobold! Es ist gar kein Mondkind geboren worden!”

Bulane sah sich den alten Hund in der Wiege an, der in der Nacht gestorben war, und wurde sehr traurig. Er bat seine ältere Frau sich um die jüngere Frau zu kümmern und sie zu trösten. Die Frau tat wie ihr geheißen wurde, und kehrte zu der Hütte zurück.

Doch als sie eintrat, sah sie das kleine Mondkind unversehrt auf dem Fußboden sitzen. Dort spielte es mit einer Maus und war vergnügt und gesund. Die Maus wußte das die alte Königin ein böses Herz hatte, deshalb zog sie das Mondking geschwind in sein Mauseloch und versteckte es dort.

Die alte Königin ging wieder zu Bulane und beklagte sich daß sie unbändige Schmerzen habe, die nur geheilt werden könnten wenn die Hütte niedergebrannt würde.

Bulane machte sich Sorgen, denn er liebte seine Frauen. Er befahl daß die Hütte abgebrannt werden sollte. Die Maus hatte aber alles mit angehört, und hatte das Mondkind flugs in einem anderen Mauseloch im Kuhstall versteckt. Die jüngere Königin musste in eine andere Hütte umziehen, und die Diener des Königs steckten die alte Hütte an, so daß sie lichterloh brannte. Die alte Königin dachte, dass das Mondkind im Feuer umgekommen war und freute sich.

Doch eines Tages kam die Alte in den Kuhstall, und sah das Mondkind auf dem Boden mit der Maus spielen. Wieder tat sie, als sei sie krank. Sie ging zu Bulane und beklagte sich über Schmerzen, die nur mit dem Abbrennen des Kuhstalls gelindert werden könnten. Und so kam es, dass das Vieh auf die Weide getrieben wurde, und der Kuhstall verbrannt wurde. Die Maus jedoch hatte wieder alles mit angehört, und hatte das Mondkind gerade noch rechtzeitig aus dem Kuhstall gerettet. Dieses mal nahm es das Kind mit zu einer Gruppe fahrender Händler, und liess es bei ihnen zurück.

Die Händler nahmen das Mondkind auf, und zogen es auf als wäre es ihr eigenes. Viele Monate gingen ins Land, und eines Tages waren die Händler wieder in der Nähe von Bulane’s Dorf. Ein Mann aus dem Dorf wollte bei den Händlern etwas kaufen, und als er in ihr Lager kam, sah er das Mondkind, das auf dem Boden saß und spielte. Er lief ins Dorf zurück und rief:

“Herr! Bei den Händlern ist ein Mondkind, das sieht dir wie aus dem Gesicht geschnitten aus!”

Bulane konnte es kaum glauben, also machte er sich selbst auf dem Weg. Als er im Lager der Händler ankam, sah er das Kind auf dem Boden sitzen, und er erkannte sofort seinen Sohn. Er trug ihn nach Hause und legte ihn der jungen Königin in die Arme. Dann wurde ein großes Fest gefeiert, weil der Erbe des Königs wieder zuhause war. Die ältere Königin jedoch wurde verjagt und musste wieder zum Volk ihres Vaters zurück.


Quelle: Traditionelles Märchen aus Südafrika, übersetzt von Katja

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